Staunen im Licht des Neuen
Meine Kinderaugen haben immer gestaunt, wenn am Ende des Heiligabend-Gottesdienstes die Lichter ausgingen und alles Licht nur noch vom Christbaum ausging. Und wenn dann aus vollen Kehlen und vollen Herzen das „O du fröhliche“ gesungen wurde, „Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue Dich, o Christenheit“, dann hat dieses Staunen etwas in meinem Herzen gerührt. Und das passiert mir jedes Jahr wieder: Da leuchtet etwas auf, und ich staune, wie sich dieses Licht in meinem Herzen ausbreitet.
Weihnachten erzählt davon, wie Gott mitten in unserer Welt neu anfängt.
Das Kind im Stall – ein erstaunlicher Neuanfang: Nicht im Palast, nicht in schönen, sauberen Gemächern. Nein, am Rand, ganz schlicht im Kleinen, im Unscheinbaren, dort fängt Gott neu an. Erstaunlich und zum Staunen: Er kommt dorthin, wo Menschen das Leben schwerfällt, wo die Räume eng und die Herzen müde geworden sind – und lässt etwas neu aufleuchten von seiner Liebe.
Gott spricht: „Siehe, ich mache alles neu.“ (Offenbarung 21,5) Die neue Jahreslosung erklingt im Kontext der Johannesoffenbarung in einer Zeit, in der Menschen sich nach Neuem sehnen – nach Frieden in einer zerrissenen Welt, nach Hoffnung inmitten vieler Sorgen. „Siehe, ich mache alles neu.“ – das ist kein frommer Wunsch, sondern eine Zusage. Gott spricht diese Worte in eine Welt, die alt geworden scheint und in der das Leben schwerfällt. Und er spricht sie auch heute hinein in unsere persönlichen Erfahrungen von Stillstand und Leere: „Ich mache alles neu!“.
Dieses Neue kommt oft leise. Nicht als großer Knall, sondern als zartes Licht, das in der Dunkelheit zu leuchten beginnt. So wie im Stall von Bethlehem. So wie in unseren Begegnungen, wenn Menschen einander ansehen, zuhören, teilen.
Wo Menschen sich begegnen, wo das Herz weit wird, wo eine dem anderen zum Licht wird.
Bald öffnet wieder die Vesperkirche ihre Türen – ein Ort, an dem etwas von diesem Licht greifbar wird. Da wird geteilt, was wir haben: ein warmes Essen, Zeit, Nähe, ein freundliches Wort. Da wird Gemeinschaft spürbar, da leuchtet Gottes Liebe auf in einfachen Gesten, in einem Lächeln, in einer großen und bunten Gemeinschaft.
Vielleicht ist das die beste Art, das Staunen über Weihnachten mitzunehmen ins neue Jahr: indem wir an der Zusage Gottes festhalten, dass er uns Räume schenkt, in denen Neues wachsen kann. Wo Menschen sich begegnen, wo das Herz weit wird, wo eine dem anderen zum Licht wird.
Ich wünsche uns allen, dass wir auch in diesem Jahr staunen können – über das, was Gott neu macht mitten unter uns. Dass wir überall dort, wo Menschen einander Gutes tun, etwas von seinem Licht entdecken: „Siehe, ich mache alles neu.“
Ein frohes Weihnachtsfest und ein gesegnetes neues Jahr!
Ihr Pfarrer Peter Heiter